pts20050313002 Politik/Recht, Handel/Dienstleistungen

Gewerbeverein: Die Geschichte vom tapferen indischen Schneiderlein aus....

Hong Kong, das im Intercity Wien-Villach seine Anzüge aus Zegna-Stoffen verkauft


Wien (pts002/13.03.2005/21:35) In einem Intercity zwischen Wien und Wiener Neustadt saß ein Mann - offensichtlich vom indischen Subkontinent - und bat, dass man mithelfe seinen schweren Koffer auf die Gepäckablage zu wuchten. Im anschließenden Gespräch stellt sich heraus, dass er allmonatlich in allen größeren Städten Europas Orders für Maßanzüge aufnimmt, die in Hong Kong angefertigt und von ihm binnen Monatsfrist auch nach Österreich geliefert werden. Preis für einen Dreiteiler aus angeblichem Zegna-Stoff: Von 300 bis 600 EUR pro Maßanzug! (der selige Ermengildo rotiert in seiner Grabkammer) Dass die Story nicht gelogen ist, untermauert eine dicke Liste an Orders und den Körpermaßen von prominenten Männern, die im Wirtschaftsblatt auf der BusinessTalk-Seite oder in den Seitenblicken immer wieder zu sehen sind.

Was an der Geschichte so nachdenklich stimmt - so der Österreichische Gewerbeverein (ÖGV) - dass uns offenbar nicht nur die Industriejobs abhanden gehen, sondern auch noch die Billig-Dienstleister kommen.

Das Ganze wäre ja kein Malheur, wenn die europäische - insbesondere aber die österreichische - Wirtschaftspolitik auf Derartiges reagieren würde. Nichts davon - es waren auf der Hong Kong Orderliste sogar sehr maßgebliche Wirtschaftslenker.

Totstellen ist angesagt! In unserer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik stellt sich das etwa dar,
+ wenn Lehrlinge im Trockenausbau 1.053 EUR monatlich verdienen (oder sich die nicht verdienen),
+ wenn 750.000 Öffentlich-Rechtliche mit nahezu undurchdringbarem Kündigungsschutz vom Rest der Arbeitenden durchgefüttert werden,
+ wenn es als schick gilt, dass der Filius gerade im vierzehnten Semester auf der Uni herum lümmelt, um so seine Persönlichkeit zu bilden,
+ oder aber, wenn man die öffentlichen Forschungsausgaben in diesem Land so hoch (oder nieder) dotiert, wie die Zuwendungen an landwirtschaftliche Schulen.

Offenbar hat das tapfere indische Schneiderlein aus Hong Kong, Kowloon schon seit Jahren die Zeichen der Zeit verstanden. Es hat sich auf die Wanderschaft gemacht, seine Tochter - deren Bild es stolz vorzeigt - hat gerade in London den Master erworben (nicht erheiratet) und es meint stolz und vollkommen richtig, dass dies das wichtigste Investment in seinem Leben war.

Vielleicht sollten Wirtschaftslenker und Politiker öfter mit dem Intercity fahren. Das bildet und zeigt, wie die Welt wirklich ist. Aber das wissen sie ja auch selbst vom tapferen indischen Schneiderlein aus Hong Kong, von dem sie sich im Wiener Ambassador ihre Dreiteiler anpassen lassen. Allerdings müssen sie derzeit dafür noch ein bisschen Kowloon-Englisch können, denn das tapfere indische Schneiderlein aus Hong Kong ist gerade dran, auch noch Deutsch zu lernen - was man von unseren satten Zuwanderern nicht wirklich einfordert!

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
Tel.: +43/1/587 36 33
E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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