pte20040807010 Unternehmen/Wirtschaft, Technologie/Digitalisierung

Tiscali Österreich hat ausgezaubert

Jordan Industries als "Käufer in der Not"


Wien (pte010/07.08.2004/13:51) Österreichs ältester und profiliertester Internetprovider, die Eunet, wird erneut verkauft. Das Unternehmen, das sich nach dem Zusammenbruch der niederländischen KPNQwest neu etablierte und erst im September 2003 um 16 Mio. Euro an die Tiscali ging, muss auf grund der dringend nötigen Sanierung des börsenotierten Tiscali-Konzerns schon wieder veräußert werden. Der Käufer, Jordan Industries, ist so gut wie fix. Der Vorvertrag ist unterschrieben, bestätigte ein Insider gegenüber pressetext.austria. http://www.tiscali.at

Nach den Abgängen der EUnet-Vorstände Ferdinand Leitner und Wolfgang Haidinger im April ist nun auch Tiscali-Geschäftsführer Dieter Haacker seit Anfang August weg. Der Verkauf soll "Hals über Kopf" und "dilettantisch" gelaufen sein, sagt der pressetext-Informant. Ein Mehrfaches des Umsatzes sei die Wunschvorstellung der Italiener gewesen. Das habe viele Interessenten abgeschreckt. Übrig blieb Jordan Industries, mit denen dann exklusiv verhandelt wurde. In der vergangenen Woche soll noch ein zweiter Interessent ein Angebot abgegeben haben.

Beachtlicher Kaufpreis

Laut Informationen von pressetext.austria dürfte der Kaufpreis nun zwischen 12 und 13 Mio. Euro liegen, etwa 0,7 x Umsatz - unter Anbetracht der gegenwärtigen Lage ein beachtlicher Preis, sagt ein anderer Kenner der Materie. Wer Jordan Industries kennt, weiß, dass da in der Due Diligence noch einiges runtergerissen wird. Die Italiener bekommen damit für das ganze Unternehmen deutlich weniger als das, was sie im Herbst allein für die EUnet AG bezahlt haben, und die rund 100 Mitarbeiter mit dem neuen Eigentümer Jordan Industries keine wirklich neue Business Strategie.

Der US-Investor Jordan Industries http://www.jordanindustries.com/ hatte über sein Tochterunternehmen Air Call vergangenes Jahr die österreichische Nextra-Tochter von der norwegischen Telenor gekauft hat. Außer einem radikalen Kostensenkungsprogramm hat man seither nichts mehr von dem Provider vernommen. Tiscali Österreich hatte zuvor u.a. die Provider-Problemfälle SurfEU und Vianet übernommen.

Privatkundenoffensive "Anfang vom Ende"

Mit dem Werbespruch "Vergesst die alten Märchen - das Zauberwort heißt Tiscali" hatte Tiscali-Eunet im November eine landesweite Kampagne für Privatkunden gestartet, die gründlich daneben ging. Tiscali Österreich, bei der Übernahme von EUnet bereits bankrott, nutzte die mit liquiden Mitteln gut gepolsterte EUnet, um eigene Schulden zu tilgen und eine teure Privatkundenoffensive zu finanzieren, die keine zusätzlichen Umsätze brachte. Im Gegenteil: viele langjährige Businesskunden kehrten dem Unternehmen den Rücken. Das Kerngeschäft mit Businesskunden brachte in guten Zeiten bis 20 Mio. Euro Umsatz.

Trotz der Strategiefehler wäre Tiscali-EUnet in Österreich leicht überlebensfähig gewesen, sagen die Experten. Grund für den Verkauf sei die veritable Finanzkrise der Mutter in Italien, die dringend Geld braucht und den raschen "Notverkauf" angeordnet hat. In ursprünglichen Plänen war die Österreich-Tochter keineswegs als Verkaufsobjekt gehandelt worden, ebenso wie die Tiscali-Töchter in Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien.

Laut Presseberichten hat der amtierende Tiscali-Chef Ruud Huismann zugegegeben, dass der einstige Internetstar Italiens Beteiligungen im Wert von 250 Mio. Euro verkaufen muss, um zu überleben. Der Titel hatte am Freitag mit 2,37 Euro sein Allzeit-Tief erreicht. Im Jahr 2000 notierten die Aktien noch bei 115 Euro.

Abgesehen von Österreich sollen auch die Beteiligungen in Spanien, der Schweiz, Schweden, Norwegen, Dänemark, Südafrika und Tschechien abgestoßen werden. Damit ist die einst angepeilte paneuropäische Strategie gescheitert. Doch die Situation ist nichtsdestotrotz ernst. Die Gesellschaft hat im zweiten Quartal dieses Jahres ihre Nettoverschuldung um 26 Mio. auf 417 Mio. Euro erhöht. Im Juli 2005 ist eine Unternehmensanleihe von 250 Mio. Euro fällig. Gelingt es bis dahin nicht, Beteiligungen zu verkaufen ist die Pleitegefahr akut. Tiscali-Gründer Renato Soru hat sich inzwischen vom Unternehmen distanziert und wurde kürzlich zum Präsidenten der Region Sardinien gewählt.

(Ende)
Aussender: pressetext.austria
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