pte20051123005 Medien/Kommunikation, Unternehmen/Wirtschaft

Electronic Arts, Comics und das Game-Geschäft

Reinhard Leeb, EA-Geschäftsführer in Österreich, im pressetext-Interview


Wien (pte005/23.11.2005/07:00) Pressetext: Electronic Arts (EA) ist zwar nach wie vor der weltweit größte Game-Publisher, aber zuletzt sind Umsatz und Gewinn deutlich geschrumpft. Wird der Wettbewerb in der Game-Branche härter? Oder worauf führen sie diese Rückgänge zurück?

Reinhard Leeb: Auf der einen Seite gibt es natürlich den Wettbewerb, auf der anderen Seite muss man sich das Ergebnis auch genauer ansehen. Es hat im 2. Quartal einen Rückgang von sechs Prozent gegeben. Unter Berücksichtigung des vergangenen Jahres - Sims2 auf PC im September und Harry Potter im Sommer - ist das Ergebnis unter dem Strich betrachtet sehr positiv. Die ganz großen Releases haben uns in diesem Quartal gefehlt und kommen diesmal erst im Oktober und November. Sie werden das Geschäft mehr als kompensieren. Das Quartalsergebnis ist daher auf den ersten Blick ein wenig trügerisch, weil es eben sehr stark von diesen großen Titeln abhängig war.

Pressetext: Offensichtlich ist sogar EA ist mit seinem breiten Produktportfolio von einzelnen Verkaufsschlagern abhängig. Für kleinere Unternehmen ist dieser Druck wahrscheinlich noch größer. Nimmt die Abhängigkeit von einzelnen Titeln in der Game-Branche zu?

Leeb: Ja, natürlich. EA hat gerade in den vergangenen Jahren sehr, sehr viele Franchise-Produkte aufgebaut: Need for Speed, FIFA, Sims, die ganzen Sporttitel, Harry Potter, Herr der Ringe. Das sind natürlich alles Franchise-Produkte, die das bei EA abfedern und über das Jahr verteilen. Trotzdem ist es natürlich schon nach wie vor so, dass wir verstärkt im Weihnachtsgeschäft sehr starke Releases haben und natürlich auch der meiste Umsatz erzielt wird. Bei vielen anderen Publishern haben sie richtig gesagt ... - wenn man den Fokus auf einzelne Titel setzt wird es riskant, weil man dann natürlich sehr abhängig wird.

Pressetext: Lässt sich der Einfluss der neuen Konsolen auf das Game-Geschäft im kommenden Jahr schon abschätzen? Werden sich die Produktions- und Marketingkosten erhöhen und dadurch die Gewinnmargen der Game-Produzenten sinken?

Leeb: Wir haben ja heuer schon mit der PSP den Launch einer neuen Konsole gehabt. Demnächst wird die Xbox 360 folgen. Bei der PSP hatten wir einen sehr, sehr positiven Start mit einer sehr tollen Software-Ratio im Hintergrund, wo wir wirklich positiv überrascht sind und unsere Titel wirklich sehr, sehr gut performen. Mit der Xbox 360 wird eine neue Plattform auf den Markt kommen, die wieder neue Möglichkeiten bietet. Auf der einen Seite haben Sie richtig angesprochen, dass sich die Produktionskosten dadurch erhöhen werden. Auf der anderen Seite hat gerade EA in der Vergangenheit, insbesondere in den letzten ein, zwei Jahren, stark daran gearbeitet, die Synergien besser zu nutzen und dadurch Kosten eingespart.

Pressetext: Entwickelt EA in Deutschland und Österreich eigentlich auch Spiele oder ist das Unternehmen hier eine reine Vertriebstochter?

Leeb: Österreich ist eine reine Vertriebs- und Marketingtochter. Aber in Deutschland besteht sehr wohl ein eigenes Studio. Dort wird der Fußballmanager, der extrem erfolgreich ist, von einem eigenen Team entwickelt.

Pressetext: Zu den von Ihnen angesprochenen Franchise-Produkten: Mit "Batman Begins", "Marvel Nemesis", "Harry Potter", "Herr der Ringe" und dem geplanten "Der Pate"-Spiel haben sie zuletzt verstärkt auf Game-Adaptionen von Filmen und Comics gesetzt. In der Vergangenheit waren Spiele auf Basis von Filmen eher nur in Ausnahmefällen erfolgreich. Wie sehen sie in Zukunft diesen Teil des EA-Angebots?

Leeb: Generell haben sie Recht, dass nicht jedes Franchise für ein Game geeignet ist. Wo ich Ihnen nicht ganz Recht gebe, ist, dass es nur wenige waren die erfolgreich sind: Wenn ich nur bei EA an Harry Potter oder Herr der Ringe denke - das waren sehr erfolgreiche Games. Und mit der "Der Pate" werden wir ein mit Sicherheit erfolgreiches Top-Produkt auf den Markt bringen. Es ist hier also sehr großes Potenzial vorhanden. Bei "Batman Begins", das vielleicht nicht so erfolgreich war, muss man auch dazu sagen, dass sich das Spiel möglicherweise vom Film selbst her schlecht entwickelt hat. Der Film "Batman Begins" war zwar sehr gut, aber es ist vielleicht nicht richtig zum Endkonsumenten vorgedrungen. Die Erwartungshaltung war von den vorangegangenen Filmen geprägt, es wurde aber ein völlig neues Konzept umgesetzt. In dieser Situation war es etwas schwierig das Spiel zu machen, wenn schon der Film nicht optimal positioniert ist. Da hätten wir uns etwas mehr Unterstützung des Verleihs bzw. des Franchisegebers erhofft.

Pressetext: Hat sich die im vergangenen Jahr besiegelte Partnerschaft mit dem Comic-Verlag Marvel bewährt? Und hat sich die Marketing-Kooperation in den USA im Fall des Spiels "Marvel Nemesis ausgezahlt?

Leeb: Marvel Nemesis ist für sich sicher ein gutes Spiel. Die Partnerschaft mit Marvel darf man zudem nicht kurzfristig sehen. Das ist eine Partnerschaft auf längere Sicht, das Franchise hat einfach von der Historie her ein absolutes Top-Potenzial. Es gibt in diesem Bereich diverse andere erfolgreiche Produkte, z.B. Spiderman, die Käuferschichten sind also vorhanden. Das muss man längerfristig sehen. Wir sehen in diesem Bereich eine gute Möglichkeit mit dem Produkt die richtigen Kunden anzusprechen.

Pressetext: Der Preis von Marvel Nemesis wurde in de USA bereits einen Monat nach dem Launch von 49,99 Dollar auf 29,99 Dollar gesenkt. Hat das Spiel die Erwartungen nicht erfüllt? Hat sich die Marketing-Kooperation mit Marvel ausgezahlt?

Leeb: Man kann sicher sagen, dass wir uns hier mehr erwartet hatten. Aber ich betone nochmals, dass wir bei EA diese Partnerschaft langfristig sehen. In den USA hat man die Preise gesenkt, das ist der eine Weg. Bei uns sehen die Verkäufe nicht schlecht aus. Wir sehen ganz klar, dass Interesse für dieses Produkt vorhanden ist. Es ist vielleicht vom Franchise-Namen her nicht so bekannt und da muss vielleicht auch noch einiges von der Marketingseite gemacht werden.

Pressetext: In Österreich verkauft sich das Spiel also gut?

Leeb: Die Erwartungen, die wir in das Spiel hatten, werden zurzeit erfüllt. In den USA wurden möglicherweise auch ganz andere Erwartungen in das Spiel gesetzt.

Pressetext: Interessant, weil in den USA wurde ja eine große Promotion-Kampagne gemeinsam mit Marvel gestartet, die sich offenbar nicht ausgezahlt hat?

Leeb: Da muss ich passen. Da kenne ich die Hintergründe zuwenig. Ich kann nur für unseren Bereich sprechen. In Deutschland und Österreich wurden die Erwartungen bisher jedenfalls erfüllt.

Pressetext: Wird die Preissenkung bei "Marvel Nemesis" in den USA auch in Deutschland und Österreich kommen?

Leeb: Wie gesagt entspricht das Spiel unseren Erwartungen. Zurzeit sehen wir daher keinen Anlass dazu.

Pressetext: In den USA hat EA die Preise auch für einige andere Games deutlich gesenkt. Das wurde in Zusammenhang mit der neuen Konsolengeneration gebracht. Sind im Zuge des Starts der neuen Konsolen bei Spielen für die aktuellen Konsolen Preissenkungen zu erwarten?

Leeb: Die Preisentwicklung in den USA hat nichts mit den neuen Konsolen zu tun. Generell ist es nicht so, dass die neuen Konsolen die aktuellen Konsolen automatisch ersetzen. Auch bei den Spielen für die aktuellen Konsolen sind die Entwicklungskosten ja nach wie vor vorhanden. Wenn ein Topprodukt mit der entsprechenden Qualität erscheint, hat das sehr wohl die Berechtigung, ein gewisses Preisniveau zu haben. Es wird sicher noch eine Zeit dauern bis die neuen Konsolen den Platz der aktuellen Generation übernehmen. Da wird sich bei Top-Games wie Need for Speed Most Wanted und FIFA 06 der Preis momentan sicher noch nicht verändern.

Pressetext: Liegt bei der Entwicklung im kommenden Jahr der Schwerpunkt noch bei den aktuellen Konsolen oder steigen sie schon um auf die neuen Konsolen?

Leeb: Im nächsten Jahr werden wir versuchen beide Generationen zu unterstützen. Es gibt momentan einen so großen Bereich von Endkonsumenten, die auf der aktuellen Plattform beheimatet sind. Da wäre es ein schwerer Fehler diesen Bereich zu verlassen. EA ist ja in der Lage die Topspiele für alle Plattformen zu produzieren.

Pressetext: Was wird ihrer Meinung nach in diesem Jahr das begehrteste EA-Game unter den Weihnachtsbäumen sein?

Leeb: Definitiv Need for Speed Most Wanted, das am 24. November in den Handel kommt.

Pressetext: Danke für das Gespräch

(Ende)
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