pte20061215031 Politik/Recht, Forschung/Entwicklung

10.000 US-Forscher protestieren gegen Einmischung der Politik

Manipulationen und Zensuren von Wissenschaftsergebnissen an der Tagesordnung


Washington DC (pte031/15.12.2006/13:55) Dem neu gewählten Kongress haben mehr als 10.600 Forscher aus allen 50 US-Bundesstaaten einen Forderungskatalog nach einer unzensierten und unpolitischen Wissenschaft übermittelt. Beim jährlichen Treffen der American Geophysical Union haben Forscher ein Dokument veröffentlicht, das Dutzende von unzulässigen Einmischungen und Zensuren seitens der Politik auflistet. Diese reichen von Themen wie Auswirkungen von Blei auf die Kindsentwicklung, über Sexual-Unterricht in Schulen bis hin zu Fragen der globalen Erwärmung, berichtet die American Union of Concerned Scientists (UCS) http://www.ucsusa.org .

"Von luftübertragenen Bakterien bis hin zu Ground Zero reicht die politische Einflussnahme der wissenschaftlichen Arbeit", so Francesca Grifo, Direktorin des Scientific Integrity Program beim UCS. "Der 110. Kongress der USA muss endlich Reformen durchbringen, dass die Arbeit in wissenschaftlichen Agenturen und Beratungsgremien auf objektiven und vorurteilslosen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht." Es ist nicht das erste Mal, dass sich US-Forscher über die politische Einflussnahme der republikanischen Regierung beschweren. Bereits im Feber 2004 hatten 52 Nobelpreisträger, 63 hoch dotierte Forscher und fast 200 Mitglieder verschiedener wissenschaftlicher Akademien gegen eine politische Einflussnahme protestiert. Das neue Kompendium der UCS listet alle möglichen Details zum Thema Zensur und politischer Einflussnahme von Forschern im Staatsdienst penibel auf. Einer der jüngsten Zwischenfälle betrifft die Manipulation des Tierschutz-Programms Endangered Species Act seitens des Innenministeriums - sechs Tierarten sollten demnach nicht unter Schutz gestellt werden. Ein anderer Fall betraf den Klimaexperten James Hansen, dem verboten wurde, das Thema globale Erwärmung mit Medien zu diskutieren.

"Es ist sehr schwer, gute öffentliche Politik ohne gute Forschung zu machen. Es ist sogar noch schwieriger, gute Politik mit schlechter Wissenschaft zu machen", meint Peter Gleick, Präsident des Pacific Institute for Studies in Development, Environment and Security. "In den vergangenen Jahren haben wir vermehrt Missbräuche der Wissenschaft sowie eine deutliche Zunahme von schlechter Forschung feststellen müssen", kritisiert der Experte. Das habe wichtige Themen wie etwa Klimaerwärmung, internationale Friedens- und Sicherheitspolitik und Wasserressourcen betroffen.

Politische Einflußnahme auf die Wissenschaft gibt es natürlich nicht nur in den USA. "Das beste Beispiel dafür ist die neue EU-Chemikalienverordnung REACH", erklärt Philipp Mimkes, Vorstand der Coordination gegen Bayer-Gefahren http://www.cbgnetwork.org , im pressetext-Gespräch. Selbst konservative Medien berichteten darüber, dass mehr als 1.000 von der Chemieindustrie bezahlte Lobbyisten die Gestaltung von REACH in eine wesentlich weichere Richtung lenkte. Das sei der bislang größte Lobbyaufwand in der EU-Geschichte. "Auf Druck der Deutschen Regierung als größtes EU-Land mit dem Back-up von Bayer und BASF wurde REACH zum größten Erfolg der Chemieindustrie", erklärt Mimkes. Wie eng der Chemiekonzern Bayer sowohl mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen als auch mit der deutschen Bundesregierung verknüpft sei, werde am Beispiel der Coordination gegen Bayer-Gefahren deutlich. Auf Druck von Bayer wurde dem Verein der Status der Gemeinnützigkeit versagt. "Das wiederum bedeutet deutlich weniger Geld, da die Spenden nicht steuerlich absetzbar sind", erklärt Mimkes abschließend.

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