pte20070302034 Umwelt/Energie, Auto/Verkehr

Volksinitiative: Freie Fahrt mit Bus und Bahn

Gegner warnen vor Überlastung des öffentlichen Verkehrssystems


Genf (pte034/02.03.2007/13:55) Eine Volksinitiative im Kanton Genf fordert die kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs - und löst damit eine kontroverse Debatte über eine nachhaltigere und sozialere Verkehrspolitik im städtischen Lebensraum aus. Das Genfer Kantonsparlament hat die "Volksinitiative für Gratis-ÖV" zwar vorerst gestoppt - eine endgültige Entscheidung fällt allerdings erst bei einer Volksabstimmung, die noch in diesem Jahr abgehalten werden soll.

"Der dichte Straßenverkehr ist eine Belastung für die Lebensqualität in Genf", sagt Pierre Vanek von der linkssozialistischen Partei solidaritéS im Gespräch mit pressetext. Gemeinsam mit Kommunisten, dem Studentendachverband CUAE und anderen Organisationen hatte die Partei die Volksinitiative für Gratis-ÖV ins Leben gerufen und mehr als 13.000 Unterschriften gesammelt. Eine kostenlose Nutzung soll den öffentlichen Personennahverkehr stärken und den privaten Verkehr in Genf spürbar reduzieren. Auch der CO2-Ausstoß werde so gesenkt. "Das ist unser Beitrag auf regionaler Ebene für eine sauberere Umwelt", sagt Vanek. Doch zugleich besitzt die Initiative auch einen sozialen Aspekt: "Die Menschen haben einen Anspruch auf eine kostenlose Nutzung des öffentlichen Verkehrs", sagt Vanek.

Tatsächlich prognostiziert eine von den Genfer Verkehrsbetrieben durchgeführte Studie, dass die Fahrgastzahlen um etwa 30 Prozent steigen würden, falls Busse und Trams zukünftig kostenfrei nutzbar wären. "Einen solchen Ansturm können die Genfer Verkehrsbetriebe aber nicht verkraften", sagt Sami Kanaan, Präsident des VCS Genf, im pressetext-Intervirew. "In der Praxis ist der Vorschlag deshalb nicht umsetzbar." Kanaan befürchtet vor allem negative Auswirkungen auf das Image der Genfer Verkehrsbetriebe. "Ich befürchte, dass die öffentlichen Verkehrsmittel nach der Freigabe zunächst vollkommen überlastet wären", sagt Kanaan. Die Folge: Verspätungen sowie überfüllte Busse und Trams. "Die Initiative provoziert hohe Erwartungen, die in der Realität leider nicht zu halten sind. Die anfängliche Euphorie wäre schnell verflogen und die Menschen würden sich enttäuscht abwenden."

Bevor der öffentliche Personennahverkehr jemals freigegeben werden könnte, müssten seine Kapazitäten deshalb zuvor massiv ausgebaut werden. "Bei der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs gibt es in Genf aber ohnehin großen Nachholbedarf", sagt Kanaan. "Sind Busse und Trams in Zukunft gratis, bricht uns eine wichtige Einnahmequelle weg." Experten prognostizieren einen Ertragsausfall von etwa 140 Mio. Euro, falls die Initiative bei der Volksabstimmung Erfolg haben sollte. "Ein weiterer Ausbau wäre dann nicht mehr finanzierbar und das Problem der Kapazitäten bliebe ungelöst", sagt Kanaan. Die Mehrheit der Abgeordneten im Genfer Kantonsparlament folgte dieser Argumentation - und stimmte mit großer Mehrheit gegen die Volksinitiative für Gratis-ÖV.

Als Reaktion auf die Kritik plant solidaritéS gemeinsam mit seinen Partnern eine zweite Initiative, mit der sie konkrete Vorschläge vorlegen wollen, um die drohende Finanzlücke zu schließen. Im Gespräch sind dabei eine Anhebung der Flughafentaxen sowie Steuererhöhungen für Autos mit besonders hohem CO2-Ausstoß. "Unabhängig von ihrer Qualität lösen die Vorschläge nur das Finanzproblem", sagt Kanaan. "Wie die öffentlichen Verkehrsbetriebe den zu erwartenden Ansturm verkraften sollen, geht daraus nicht hervor." Eine Verlagerung des Verkehrsaufkommens in Genf sei durchaus wünschenswert. "Aber das ist ein langfristiger Prozess", so Kanaan. "Und er muss durch einen gezielten Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems begleitet werden."

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