pts20040506022 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

8. Raiffeisen Versicherungs Pensionssymposion in Paris

Am 3. und 4. Mai 2004 lud die RV zum Pensionssymposion


Wien (pts022/06.05.2004/11:19) Im Fokus des mittlerweile zur Tradition gewordenen Symposions stand neben Frankreich auch der generelle Reformkurs der nun auf mittlerweile 25 Staaten erweiterten Europäischen Union. Hochkarätige Vortragende boten den Teilnehmern Einblicke in die aktuelle Situation der europäischen Pensionssysteme und mögliche Lösungsansätze für Zukunft. Höhepunkt des Symposions waren die Ausführungen von Weltbankdirektor Prof. Dr. Robert Holzmann.

Weltbankdirektor Prof. Dr. Robert Holzmann erklärte warum Reformen auch für Europas künftige Wettbewerbsfähigkeit so entscheidend sind und wie seine Idealvorstellung eines Alterssicherungssystems aussieht. Eine Zusammenfassung:

Die Pensionskosten hemmen Europas Wettbewerbsfähigkeit
Europa hat im Vergleich mit anderen Märkten enorm hohe Pensionskosten (die durchschnittlichen Pensionskosten der "alten EU 15" liegen etwas über 10 % des BIP, in übrigen Staaten wie USA, Japan, Australien, Kanada sind sie nur halb so hoch. Österreich liegt mit 14,5 % überhaupt an der Spitze). Durch die gemeinsame Währung ist es einzelnen Ländern nicht wie früher möglich, Wettbewerbsnachteile durch Abwertung auszugleichen. Besonders betroffen davon sind Länder mit hohen Lohnnebenkosten.
Der Wechselkurs wird allerdings nicht allein durch die Leistungsbilanz eines Landes bestimmt, sondern auch durch dynamisches Wachstum. Die dafür notwendige Innovation und Mobilität (neue Produkte, neue Märkte, lebenslanges Lernen, stärkeres Unternehmertum etc.) wird durch das derzeitige Pensionssystem gehemmt. Anreize für eine flexiblere Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitslebens (z.B. Weiterbildungskarenz) fehlen ebenso, wie für die Stärkung der Selbstständigkeit. Ein weiterer Wettbewerbsnachteil Europas ist dessen unterentwickeltes Finanzmarktsystem.

Sozioökonomische Veränderungen bedingen Reformen
Die Pensionsdiskussion in Europa wird primär mit fiskalischen Argumenten geführt. Bisher wenig Beachtung finden laut Prof. Holzmann die sozioökonomischen Faktoren, die ebenfalls eine Reform der derzeitigen Pensionssysteme notwendig machen. Die Frauenerwerbsquote wird weiter steigen. Die Scheidungsraten sind enorm hoch und die Familienstrukturen ändern sich. Die Zahl von Teilzeitjobs und atypischen Beschäftigungsverhältnissen wird zunehmen. Dafür gibt es derzeit unzureichende bzw. gar keine Pensionsregelungen.

Das ideale Alterssicherungssystem
Die Pensionen in Europa setzen sich in der Regel nach dem 3-Säulenprinzip (staatlich, betrieblich, privat) zusammen. Für Prof. Holzmann ist die Zusammensetzung des Ruhegenusses aus mehreren Säulen wichtig: " Durch eine Aufteilung auf mehrere Säulen erfolgt eine Risikodifferenzierung zwischen politischer, ökonomischer und demografischer Risiken." Sein ideales Alterssicherungssystem sieht dennoch etwas anders aus:

1. Eine starke Hauptsäule: Eine Kombination aus Umlageverfahren und kapitalgedeckter Pension. Diese Hauptsäule müsste allerdings anders strukturiert sein und um Faktoren ergänzt werden, die den Alterungsprozess der Bevölkerung berücksichtigen. Den unterschiedlichen Lebensperioden und der längeren Lebenserwartung müsste im System durch Zu- und Abschläge Rechnung getragen werden.

2. Eine "soziale" Säule: Eine Form von Mindestpension für ältere Menschen, die nie oder nur beschränkt die Möglichkeit gehabt haben am staatlichen System teilzunehmen oder aus dem staatlichen System zu wenig schöpfen konnten. In den Genuss dieser Säule sollten betroffene Menschen mit 67 bis 70 Jahren kommen.

3. Eine kapitalgedeckte Marktpension: Betriebliche und/oder private kapitalgedeckte Pension

Pensionsharmonisierung in Österreich
Eine Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme ist für Prof. Holzmann nicht nur für Österreich sondern europaweit aus Gleichheits- und Effizienzgründen wichtig. "Aus Gleichheitsgründen deshalb, weil das jetzige System in Österreich unterschiedliche Beiträge aus der Staatsschatulle verlangt, die in keinster Weise vom Bedarf gekennzeichnet sind, sonders sich aus einem politischen Bedarf ergeben haben" begründet Prof. Holzmann.
Eine moderne Wirtschaft benötigt ein System, wo man humane Arbeitsressourcen nutzen und daher zwischen öffentlichem und privaten System wechseln kann. Dies wird derzeit behindert. Daher ist eine Harmonisierung auch aus Effizienzgründen sinnvoll, die laut Prof. Holzmann einfach zu realisieren wäre: "Die Frage der Umsetzung ist auch technisch einfach und es überrascht mich, warum dies politisch in Österreich so schwierig erscheint. Für alle könnte ein einheitliches System binnen einem Jahr umgestellt werden."

Seine These: Man nehme einen Beamten der fünf Minuten vor Pension ist und vergleiche ihn mit einem Beamten der 40 Jahre ist und einem der zu arbeiten beginnt. Alle bestehenden Pensionsansprüche werden per Stichtag in Geld umgerechnet und fiktiv gutgeschrieben. Am nächsten Tag wird für Beamte, Gewerbetreibende usw. mit einem System fortgefahren. In einem Kontensystem wird das Geld gutgeschrieben und verzinst. Derjenige der vor dem Stichtag kurz vor der Pension stand erhält im wesentlichen die gleichen Leistungen wie im alten System. Der Einsteiger erhält die Ansprüche nach neuem System und der 40jährige erhält Leistungen je zur Hälfte aus altem und neuem System.
"Dieses System wäre gerecht, effizient und bietet jene Anreize, die es für eine alternde Bevölkerung bedarf. Natürlich steht es dem Staat, den Unternehmen frei, ihren Mitgliedern zusätzlich noch eine kapitalgedeckte Pension mit beitragsbezogener Leistung zu gewähren" erklärt Prof. Holzmann die Vorteile einer Harmonisierung.

Analyse der Reformbemühungen in Österreich
Die bisherige Pensionsreform in Österreich bezeichnet Prof. Holzmann einerseits als überraschend stark, andererseits als noch unzureichend. Positiv hebt er die Eindämmung der Frühpensionsproblematik hervor. Die bereits erwähnte Harmonisierung und ein beitragsorientiertes System (was ich einzahle bekomme ich heraus) wären seiner Meinung nach ebenso sinnvoll wie auch Anreize zu schaffen, dass die Menschen auch länger arbeiten. " Dies wäre auch eine Herausforderung für Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht nur über Löhne zu verhandeln, sondern auch einmal über Gesundheitsmaßnahmen und Bildungsmöglichkeiten der Mitarbeiter nachzudenken" erläutert Prof. Holzmann den Umdenkprozess für Arbeitsanreize.

Die kapitalgedeckte Säule in Österreich
Die Schaffung und vor allem konstante Beibehaltung von steuerlichen Anreizen der kapitalgedeckten (betriebliche und private) Säule ist für Prof. Holzmann ein wichtiger Aspekt bei der Sicherung der Alterspensionen: "Steuerliche Anreize dürfen nicht einmal gegeben, dann wieder genommen werden. Keep it simple lautet der Erfolg bei der Schaffung von Anreizen. Das haben alle Beispiele in den verschiedenen Ländern bisher gezeigt. Ein Negativbeispiel mit viel zu komplexen Regelungen ist Deutschland."

Eckpfeiler der Pensionsreform in Frankreich
Frau Dominique Lassus-Minvielle vom französischen Arbeits- und Gesundheitsministerium zeigte auf wie problematisch Bemühungen von Strukturveränderungen sein können: Die im Vorjahr von der konservativen Regierung beschlossene Rentenreform hat im März zu massiven Verlusten der Partei bei den Regionalwahlen geführt.

In Frankreich gibt es eine Vielzahl von Pensionssystemen für unterschiedliche Berufsgruppen. Dies war mit ein Grund, warum bisherige Reformversuche in Frankreich am Protest einzelner Gewerkschaftsgruppen und den unterschiedlichen Bestimmungen gescheitert waren. Frankreich steht allerdings vor den gleichen Problemen wie der Rest Europas. Die Pensionsaufwendungen machen in Frankreich 12,7 % des BIP aus. "Derzeit erhalten 10 Erwerbstätige 4 Pensionisten. 2040 wird das Verhältnis 1 zu 3 sein" erklärt Frau Dominique Lassus-Minvielle vom Arbeits- und Sozialministerium Frankreichs. "Wie in Österreich treten auch die Franzosen immer später ins Erwerbsleben ein. Mit 55 Jahren sind in Frankreich nur mehr ein Drittel erwerbstätig, ein Drittel Frühpensionisten und ein Drittel Arbeitssuchende."
Im Sommer 2003 wurde nun eine Pensionsreform mit dem Ziel beschlossen, bestimmte Berufsgruppen an das größere allgemeine Sozialversicherungssystem anzunähern. Beispielsweise soll die Versicherungsbeitragsdauer für alle Systeme des privaten und öffentlichen Sektors bis 2012 auf 41 Jahre erhöht werden, für die Pensionsberechnung sollen künftig die besten 25 Jahre statt bisher 10 Jahre herangezogen werden. Frau Dominique Lassus-Minvielle: "Durch die Reform werden Harmonisierungsmaßnahmen gesetzt, um die wirklich großen Unterschiede der verschiedenen Pensionssysteme etwas zu vermindern".

Herr Andreé Renaudin, Generaldirektor des französischen Versicherungsverbandes, sieht auf Grund der Reformpläne und der demografischen Entwicklung auch in Frankreich eine weitere Zunahme der privaten Vorsorge: "Die Rentendebatte hat dazu geführt, dass über die gesetzliche Pension allein die Rente nicht zu sichern ist. Die private Vorsorge muss daher zunehmen." Er hält es daher für wesentlich, dass alle Franzosen Zugang zu freiwilligen Sparmodellen für die Rentenversicherung haben. Die Regierung hat im Vorjahr die Palette der Versicherungsprodukte zur Altersversorgung um die PERP, eines sogenannten Volksrentensparplans mit Steuerabzugsfähigkeit der Beiträge, erweitert.
Beiträge zu freiwilligen Altersvorsorgemaßnahmen gelten in Frankreich bis zu einem Betrag von EUR 24.000,-- als steuerabzugsfähig, wenn die Auszahlung in Rentenform erfolgt.
Generell gilt laut Renaudin Frankreich mit einem Prämienvolumen 2003 von EUR 143 Milliarden als der weitentwickeltste Lebensversicherungsmarkt Europas. Renaudin: " Die Lebensversicherung stellt 60% der Nettokapitalanlage der französischen Haushalte dar und bildet ein Drittel des Vermögens der privaten Haushalte." Der Anteil an reinen Rentenverträgen mit 6 % am Gesamtvolumen ist in Franreich hingegen noch sehr gering. 30 % der Rentenverträge sind privat, 70 % betrieblich.

Dir. Franz Josef Werle, Direktor des Europäischen Versicherungsverbandes erläuterte wie sehr die Pensionsproblematik gerade auch die neuen Mitgliedsländer der Europäischen UNION betrifft und wie es allgemein um den Pensionsreformkurs in Europa steht.

Dir. Werle meint, dass angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung und deren zunehmendes Gewicht im Verhältnis zur Aktivbevölkerung die im Umverteilungswege finanzierten sozialen Sicherungssysteme schon heute je nach Land mehr oder minder großen finanziellen Herausforderungen ausgesetzt sind. Reformen sind daher unumgänglich, um die Nachhaltigkeit der Alterversorgungssysteme zu sichern. Die Schaffung von wirtschaftlichen, rechtlichen, sozialen und steuerlichen Rahmenbedingungen ist dafür notwendig, was konkret folgendes bedeutet: eine Altersversorgung und private Vorsorge auf mehreren Stufen und Ebenen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Umlage- und Kapitaldeckungs-Finanzierungsverfahren, Flexibilität und Anpassung an die Anforderungen der Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt, die Zuweisung einer klar definierten Rolle der Versicherer und übrigen Anbieter im EU-Binnenmarkt der betrieblichen Alterversorgung und in den Mitgliedstaaten eine fristgerechte Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Regelwerke und eine Eindämmung neuer Vorhaben seitens der EU-Kommission.

(Ende)
Aussender: Raiffeisen Versicherung
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