pts20041006018 Unternehmen/Wirtschaft, Technologie/Digitalisierung

Zukunft ist Abenteuer


WIEN (pts018/06.10.2004/10:28) Beim Zukunftsforum im Technischen Museum spannten die Referenten den thematischen Bogen von der RFID-Technologie über Ambient Intelligence und Autonomic Computing bis zu den neuen Breitband-Internet-Lösungen.

"Der Wirtschaft zum Wohl", steht eingemeißelt auf der Erinnerungstafel des 1908 errichteten Technischen Museums in Wien. Wo anders, wenn nicht gerade hier, sollte das Zukunftsforum IT & TK des future network das gemeinsam mit Con.ect Eventmanagement veranstaltet wird, mit dem Thema "Technologietrends als Motor für den Unternehmenserfolg" stattfinden?
Es sind Innovationen, die den Geschäftsalltag, ja sogar unser Leben, treiben. "Marketing und Innovation machen Geld. Alles Andere kostet", zitierte future network Präsident Michael Vesely den 1909 in Wien geboren und zu internationaler Berühmtheit gelangten Management-Guru Peter F. Drucker. Innovation ist nicht gleich Innovation. Drei grosse Arten können unterschieden werden. Zum einen können Innovationen eine bestehende Produktkategorie unterstützen (typisch sind Produktverbesserungen), oder - als sogenannte disruptive Innovation - einfachere, billigere oder mobilere Lösungen anbieten oder auch zur Gänze das Tor zu neuen Märkten aufstoßen. Vor allem die beiden letztgenannten Innovationsarten stellen auf ein Ziel ab, das der Nationalökonom Joseph Schumpeter als "temporäres Monopol" bezeichnete. Als klassisches Beispiel für den durch eine Innovation angestoßenen Zugang zu einem neuen Markt nannte Vesely das Transistorradio, das 1950 durch Sony zunächst zum Massenmarkt für Teenager geworden sei und die Generation der Röhrenradios ablöste. Aktuelles Beispiel stelle das Internet dar, das als Distributionskanal den Computer und die mobilen Endgeräte zur musikalischen Schaltzentrale mache. Zum Schaden der Hi-Fi-Geräte, deren Markt in den vergangenen fünf Jahren um 90 Prozent eingebrochen sein. Ein ähnliches Schicksal hat das Kodak-Labor in Wien ereilt, das als Opfer der Digitalisierung der Bilder (eine disruptive Innovation, Anm.) zugesperrt werden musste. Als Beispiel für eine Produktverbesserung führte Vesely die Integration der Quick-Zahlungsfunktion auf den Chips der Bankomatkarten an.
Experten schätzen, dass bis zu 80 Prozent der Innovationen scheitern und binnen kurzer Zeit vom Markt verschwinden, oft zusammen mit ihren Firmen. Innovationen brauchen einen Markt. Eine der Lehren der dot.com-Ära ist für Vesely, bescheiden und klein zu bleiben: "Es ist viel schlauer, Innovationen zuerst in einem kleineren Marktumfeld zu testen." Denn die meisten Produkte seien "over-funded" - und die Gefahr des wirtschaftlichen Untergangs dementsprechend groß.

Pervasive Computing: Der Chip ist überall

Eine der maßgeblichen Schlüsseltechnologie im kommenden Jahrzehnt wird Ambient Intelligence sein, die Einbettung der Elektronik in die Umwelt. Infineon Technologie Austria hat in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut zur schnellen Analyse von Flüssigkeiten entwickelt. Stefan Rohringer vom Infineon Development Center in Graz: "Der Chip besteht aus kleinen, mit Flüssigkeit zu befüllenden Poren. In wenigen Minuten erhält man die verschiedensten Auswertungen." Weitere Anwendungen finden Chips in "Smart Textiles" oder "Wearable Computing", etwa in Teppichen eingewebte Netzwerke oder Kleidungsstücke, in die elektronische Komponenten integriert sind. Rohringer: "Noch heuer kommt eine mit O'Neill entwickelte Snowboardjacke mit integriertem Bluetooth-Modul zur Handy-Nutzung und MP3-Player samt Bediensensoren am Ärmel auf den Markt." Künftig würden uns Anwendungen zur Verfügung stehen, "die in Form, Qualität und Kosten bislang nicht denkbar waren". Die Schlagwörter dazu: Pervasive bzw. Ubiquiteous Computing Zudem gäbe es mit den Notenbankdruckern Gespräche, die Möglichkeiten der Integration von RFID-Chips in Geldscheine auszuloten.
Heutige Chips bestehen aus 60 bis 70 Nanometer starken Schichten die laut Rohringer mit einem Vielfachen des heutigen für die Produktion benötigten Kapitaleinsatzes "auf zwei bis drei Nanometer" reduziert werden.

RFID: Die lückenlose digitale Logistikkette ohne Medienbrüche

RFID (Radio Frequency Identification) ist gegenwärtig in aller Munde. Ob Auto, Kleidung oder Lebensmittel - mit Hilfe von RFID lässt sich der gesamte Lebensweg einer Ware von der Entstehung über den Vertrieb, Service und gegebenenfalls sogar bis zur Entsorgung hin nachvollziehen. "Die Technik ist schon 20 Jahre im Einsatz. Denken Sie an den Diebstahlschutz oder an die Liftkarten", so Harald Berger von Siemens Business Services, dem RFID-Integrator.

Einerseits gibt es heute Transponder und Reader (RFID-Technologie) in unterschiedlichen Bauformen und mit mannigfaltigen Leistungsmerkmalen, andererseits werden in allen Branchen spezifische Softwarelösungen eingesetzt, jedoch fehlt die Verbindung der beiden Technologien. Systemintegratoren schließen dieses Gap, dabei werden Geschäftsmodelle und -prozesse optimiert und individuell angepasst.

RFID-tags werden den Barcode nicht aus allen Anwendungsgebieten verdrängen - Berger: "Es wird Bereiche mit Koexistenzen geben. Und auch solche, bei denen die Verwendung von Barcode weiter sinnvoll ist."

RFID ist eine universell einsetzbare Technologie mit hoher Sicherheit - Berger: "Jeder Tag (=Transponder) hat weltweit eine eindeutige ID." RFID hat sich durch die Standardisierung "rasant etabliert". Der EPC (Electronic Product Code) soll der maßgebliche globale Standard zur Produktidentifizierung werden: Der 96 Bit EPC vereinigt die beiden Standards EAN und UCP und enthält unter anderem die Seriennummer des Produktes.

Kritisch sei der RFID-Einsatz bei Metallen, hohen Temperaturen und Flüssigkeiten. Berger: "Dafür gibt es Spezialtransponder." Als "sehr heikel" bezeichnete er die Integration in Banknoten: "Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch ein Gate und man weiß, wie viel Geld Sie in der Tasche haben."

War die Sendeleistung für den RFID-Einsatz in Europa auf 0,5 Watt beschränkt, wurde laut Berger erst heuer im UHF-Band eine Leistung bis zu zwei Watt analog dem Handy festgesetzt, damit sind Reichweiten bis zu 7 Meter mit passiven Tags möglich. "In den USA sind bis zu vier Watt zulässig."

Unternehmen sollten sich frühzeitig mit dem Thema befassen, um die strategischen Voraussetzungen für den Einsatz der Technologie bilden zu können.

IT-Systeme lernen, sich selbst besser zu organisieren

"Die massive Ansammlung von IT artet in Komplexität aus, die nicht mehr leicht beherrschbar ist. Das Thema ist praktisch in jedem Unternehmen relevant", resümierte IBM-Urgestein Tony Fricko. Daraus leiten sich zwei Szenarien ab, diese Komplexität einzufangen: Einerseits werden sündhaft teure Spezialisten gezüchtet, deren Aufgabe es ist, die Systeme am Leben zu halten. Andererseits entstehen "Systeme, die sich selbst tunen, ihre Umgebung wahrnehmen und nach vorher definierten geschäftlichen Regeln handeln", erklärte der Experte das Konzept des autonomic computing. Dessen Grundvoraussetzungen lauten Standards und offene Systeme. Als ein Must forciere IBM daher die Zusammenarbeit mit Partnern. Fricko: "Das autonome Verhalten von Systemen ist etwas, was wir in den nächsten fünf bis sieben Jahren zum Laufen bringen müssen." Allein die Firewall-Problematik sei überall ein Drama.

Mobiles Breitband: Angebot trifft Nachfrage

Der Blick auf die Statistiken zeigt, dass der Breitband-Markt boomt. Mit jährlichen Steigerungsraten von 70 Prozent wuchs er seit 2000 zwölf Mal schneller als die ohnehin schon steigenden Umsätze der Telkos. Allerdings belief sich der Breitband-Anteil am Telko-Gesamtgeschäft laut Schätzungen im Vorjahr lediglich auf drei Prozent. Davon entfiel der Löwenanteil mit 85 Prozent auf das Geschäft mit den Zugängen
Zumindest ebenso spannend ist, dass sich die bisher getrennt verlaufenen Entwicklungslinien von Breitband und mobilen Anwendungen verbinden - und so manchen Platzhirsch am Carrier-Markt ins Schwitzen bringt.
Thomas Strohmaier, Leiter des TIME-Research bei Arthur D. Little, dazu: "Das ist ein spannendes Thema, denn es werden genau die Bedürfnisse der Anwender abgedeckt. Services können 'on the run' genützt werden." Obwohl das mobile Breitband die vier wesentlichen Markterwartungen (schnelle Datenübertragung, weltweite Reichweite und Verfügbarkeit, sowie günstige Kosten) erfülle, würden die bekannten Schwierigkeiten von WLAN (Stichwort Sicherheit bzw. MAC-Adressen) und des Nachfolgers WiMax (Stichwort Standardisierung) Unsicherheit auf den Anwendermärkten nach sich ziehen.
Die mobilen Zugangstechnologien von heute leiden unter ihrer Proprietät, weswegen sie sich bislang nicht als vollwertiger komplementärer Access durchsetzen haben können. Strohmaier: "Der WLAN-Bereich wird von Intel gepusht. WiMax ist zwar in aller Munde, aber es gibt es bis heute nicht. Es soll erst 2005 standardisiert werden." Es sei dahingestellt, ob WiMax sich überhaupt als Alternative etablieren könne: "Für WiMax wird es schwer werden. Es gibt heute schon Dienste am Markt, die genau das können, was WiMax in einigen Jahren können soll."
Einige Beispiele:
Basierend auf der EV-DO-Technologie bietet Verizon in Amerika einen wireless Breitband-Zugang für knapp 80 US-Dollar an (die PC-Karte kostet rund 150 US-Dollar). Strohmaier: "Das ist tatsächlich eine Bedrohung für fixe Angebote." Nach dem Erfolg in Stuttgart des AIRDATA-Produkts "PortableDSL"plant die junge Firma (Partner sind Alcatel und IPWireless) den Rollout in weiteren 30 Ballungszentren. Die tschechische Eurotel launchte Anfang August ihr Wireless-Angebot, das "einen Monat später bereits mehr als 10.000 Kunden hatte", hob Strohmaier die Attraktivität mobiler Breitband-Angebote hervor.

"Voice over IP - das Abenteuer ist Gegenwart"

Über die Landesgrenzen hinaus ließ jüngst auch die UTA mit ihrem neuen "Office Phone IP"-Service aufhorchen. Systemvoraussetzung beim Anwender ist ein Breitbandzugang: "Unsere Lösung zielt hauptsächlich auf Anwender mit fünf bis 150 Nebenstellen ab", erklärte Thomas Helfert. Der skalierbare Dienst erfordere keine Investitionen, die Verwaltung des Systems sei einfach "und wird dem Anwender selbst überlassen". Die komplette Backbone befindet sich bei UTA und wird dort gemanagt. Standortvernetzungen würden kostengünstig und schnell erfolgen. Die Telefonapparate werden über Datenkabel mit dem Unternehmens-LAN verbunden. Durch die Standard-basierte Konzeption ist die Lösung kompatibel mit jedem SIP-tauglichen Telefon (Session Initiation Protocol) sowie über Adapter mit analogen Endgeräten (auch Faxgeräte). Teleworker und Außendienst-Mitarbeiter können über WLAN-Knoten kommunizieren. Helfert: "Sämtliche Features, die an einen Standort funktionieren, können im gesamten Netzwerk genützt werden."
Die Lösung dahinter ist die von Kapsch CarrierCom mit Partnern entwickelte Mississippi-Software. Peter Hofbauer: "Wir haben vor vier Jahren gesehen, dass sich SIP durchsetzen wird, und mit der Entwicklung begonnen." Das System setzt auf internationalen HW- und SW-Standards (HP ProLiant; RedHat Linux als Betriebssystem, Anm). Als essentiell bezeichnete Hofbauer, dass in der Praxis Anpassungen für die Integration von Endgeräten und Kundenanforderungen notwendig seien. Die in der Praxis erforderlichen Anpassungen von KCC/MISSISSIPPI können in der Praxis optimal erledigt werden (lokale Kompetenz = rasche und flexible Integration und Anpassung). "Man kommt nicht herum, jedes einzelne Endgerät auf seine Eigenheiten abzuklopfen."

Die gesellschaftliche Bedeutung von Breitband

Für die Überwindung der sozialen und geographischen "digital divide" sei der Ausbau des Breitband-Internets in Österreich unumgänglich, meinte UTA-Vorstand Alexandra Reich. Einmal mehr forderte sie die Politik zu mehr Initiative auf. "Ich glaube, den Politikern ist noch immer nicht ganz bewusst, welche Chance hier vergeben wird." Österreich sei im internationalen Vergleich zwar gut gestartet, jedoch von anderen Ländern - etwa die Schweiz - überholt worden. Darunter leide die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. E-Government, E-Learning und E-Health bräuchten den Breitband-Zugang für alle. Ebenso helfe der weitere zügige Ausbau der notwendigen Flexibilisierung am Arbeitsmarkt: "Der Anteil der Teleworker in Österreich beläuft sich auf rund 15 Prozent. Da ist noch sehr viel drinnen." Generell stelle das Breitband-Internet einen wichtigen Antrieb für das künftige Wirtschaftswachstum dar.

Zukunft ist Abenteuer: Was sagt die Marktforschung?

Unsere Gesellschaft unterliegt dem Megatrend der Individualisierung, meinte Werner Beutelmeyer, Chef des Linzer market-instituts. Technik erhöhe das Tempo, aus der High Speed-Gesellschaft werde die Hyper Speed-Sozietät - mit ambivalenten Folgen: "Wer nicht mithalten kann, kommt unter die Räder", so der Befund des Martkforschers. Technik bedeute einerseits Faszination und andererseits auch Demütigung. In Österreich setze sich mehr und mehr das Bewusstsein durch, sich ständig weiterbilden zu müssen, um beruflich am Laufenden zu bleiben. Beutelmeyer: "Aktivität ist der Werkstoff der Zukunft."
Sowohl für Anbieter als auch für deren Kunden bedeutet die Zusammenfassung der Marktforschungen folgendes: Neue Märkte entstehen, die neue Kundenschichten an sich binden und für alle neue Chancen bedeuten. Die Technik leistet dazu ihren Beitrag - Beutelmeyer: "Ein besonderes Abenteuer ist die Kommunikationstechnologie."

Die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Abschluss des diesjährigen
Technologieforums mit den Vorständen von UTA ( Mag. Alexandra Reich), Kapsch CarrierCom ( DI Peter Nedwed), T-Mobile ( DI Günther Ottendorfer)
brachte die einstimmige Erkenntnis, dass Breitband in Zukunft in Österreich
massiv gefördert werden muss. Dieser Ansicht schloss sich auch Hr. Dr. Stefan Köhler als Repräsentant der RTR an und verwies auf die laufenden Programme, welche
von der RTR soweit wie möglich unterstützt und gefördert werden um die
Wettbewerbsfähigkeit von Österreich zu erhalten. Michael Vesely als
Präsident des Future Network wies in diesem Zusammenhang auf die wichtige
Rolle der RTR hin, die die Vorgaben des Gesetzgebers umzusetzen hat und
dadurch auch die Rahmenbedigungen wesentlich mitbestimmt.
Ein weiteres wichtiges Zukunftthema am Podium war die Entwicklung der
mobilen Sprachtechnologie. Hr. Strohmaier von Arthur d.Little erklärte die
aktuellen Szenarien, die derzeit schon z.B. in Australien zur Anwendung
kommen. Diese sollten einen Rückschluss auf die Entwicklung auch in
Österreich zulassen. Hr. DI Ottendorfer bekräftigte die Strategie von
T-Mobile sowohl die UMTS, wie auch die WLAN Technologie gleichberechtigt
auszubauen um in den nächsten Jahren eine ?seamless Integration" zwischen
den Technologien zu ermöglichen.

Diese Veranstaltung stellt den Beginn eines Zyklus von Zukunftsforen zu IKT dar. Die Unterlagen der Veranstaltung können zum Preis von 50.-- Euro bei Future Network (office@future-network.at) bestellt werden ( oder unter 522 36 36 37) . Näheres dazu auch unter: www.future-network.at.

(Ende)
Aussender: Future Network
Ansprechpartner: Mag. Bettina Hainschink
Tel.: 01/522 36 36 36
E-Mail: office@future-network.at
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