pte20051205025 Forschung/Entwicklung

Kieler Forscher finden Lochkristall

Beweis des ungewöhnlichen Materiezustands erbracht


M. Bonitz/Christian Albrechts Univ.
M. Bonitz/Christian Albrechts Univ.

Kiel (pte025/05.12.2005/15:29) Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben einen ungewöhnlichen Materiezustand beweisen können: Einen Kristall, der nur aus Löchern besteht. Das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Michael Bonitz vom Institut für theoretische Physik und Astrophysik http://www.theo-physik.uni-kiel.de hat mit Hilfe von aufwändigen Computersimulationen erstmals den Beweis dieses exotischen Phänomens erbracht. Dem Wissenschaftsteam ist es auch gelungen, die Bedingungen für seine Entstehung vorherzusagen.

"Bereits seit den 60-er Jahren wurde über die Existenz spekuliert", so Bonitz im pressetext-Interview. "Der Lochkristall ist sozusagen ein umgekehrter Kristall, in dem es eine homogene Verteilung der Materie gibt und dazwischen liegt das Kristallgitter." In gewöhnlichen Festkörpern sind Elektronen und Löcher weit ausgedehnt. Dies ist eine Konsequenz der Quantenmechanik. "Wenn jedoch die Masse eines Lochs den kritischen Wert des 80-fachen der Elektronenmasse übersteigt, verwandelt sich die Lochflüssigkeit spontan in einen Kristall", so Bonitz. Des Weiteren liegen Hinweise vor, dass sich in derartigen Halbleitersystemen bei Verringerung des Drucks Bose-Kondensate von gebundenen Elektron-Loch-Paaren ausbilden können.

"Ein nächstes Ziel wird sein, diesen Kristall herzustellen", führt der Physiker aus. Ein Wissenschaftsteam der ETH-Zürich arbeite bereits daran. Geeignete Materialsysteme wären bereits vorgeschlagen worden. Der Lochkristall hat für die Wissenschaft aber auch eine andere Bedeutung: "Wir konnten zeigen, dass er viele Gemeinsamkeiten mit ganz anderen Kristallen, wie etwa Plasmakristallen oder Ionenkristallen, besitzt", so Bonitz. Er weise zudem viele Ähnlichkeiten mit einigen der rätselhaftesten Objekte im Universum wie etwa Weißen Zwergen und Neutronensternen auf.

"Auch die Materialforscher interessieren sich für den Lochkristall, denn die detaillierten Berechnungen haben ergeben, dass die Kristalle günstige Voraussetzungen für Supraleiter besitzen", erklärt der Physiker. Supraleiter erlauben einen Stromfluss ohne Widerstand und sind derzeit nur bei extrem tiefen Temperaturen von minus 250 Grad Celsius möglich. "Der Physik-Nobelpreisträger Alexei Abrikossov erwartet, dass Systeme mit einem Lochkristall schon bei wesentlich höheren Temperaturen supraleitend werden", erklärt Bonitz. "Ein wichtiges Ziel unserer weiteren Untersuchungen wird es sein, diese Vorhersagen zu überprüfen", erklärt der Wissenschaftler abschließend.

Bonitz arbeitete für seine Forschungen mit einem deutsch-russischen Wissenschaftlerteam zusammen, Die American Physics Society berichtet über die Forschungsergebnisse in ihrer online-Zeitschrift Physical Review Focus http://focus.aps.org .

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